zwischen der Stadtgemeinde Bremen, Flughafen Bremen GmbH und der Gemeinde Stuhr
Information und Kommentare zum Inhalt des Vertrages und der Vertragstreue der Vertragspartner und ein Ausblick in die Zukunft
1. Welche Rechte und Pflichten sind mit dem obengenannten Vertrag verbunden?
Aus Sicht der durch Flugverkehr betroffenen Bevölkerung rund um den Bremer Flughafen (bis zu 100.000 Personen) ist dieser öffentlich rechtliche Vertrag von sehr großer Bedeutung. Er soll dauerhaft die Maximallärm- und -abgasbelastung der Anwohner begrenzen und zwar dadurch, dass die beiden jeweils an den Enden der regulären Start- und Landebahn von 2.034 m Länge befindlichen 300 m langen Sonderstartbahnen ausschließlich nur für Sonderstarts in begrenztem Umfang genutzt werden dürfen. Dafür ist ausschließlich leises Fluggerät einzusetzen. Der Vertrag soll den Transport bestimmter Airbus-Flügel, die in Bremen montiert werden, garantieren. Wenn die Flügeltransporte wegfallen sollten, sind Transporte für anderer Güter aus der Bremer Luft- und Raumfahrtindustrie im begrenztem Umfang auf der Sonderstartbahn möglich, wenn der Transport dieser Güter nicht ohne Nutzung der Sonderstartbahnen erfolgen kann. Zugelassen sind durchschnittlich 3 Starts in der Woche und 2 Nachtstarts im Jahr (insgesamt 152 Starts im Jahr). Sollten diese Starts eines Tages nicht mehr erforderlich sein, sind keine andersartigen Starts vorzusehen. Die Vertragsmodalitäten sind nach § 1 (3) in die luftrechtliche Genehmigung aufzunehmen und eine darüber hinausgehende Änderung an der Start- und Landebahn nicht zu beantragen. Andere Vereinbarung wie zusätzliche Lärmwände etc. werden hier nicht erörtert. Tatsächlich wurden die Vertragsmodalitäten in der Genehmigung modifiziert. Erlaubt sind bis zu 5 Starts in der Woche. Dafür wird die Gesamtzahl im Jahr auf 152 Starts begrenzt (H. 4.). Die mögliche Luftfracht wird ausschließlich auf Flügeltransporte eingegrenzt, und zwar für den A 330, A 340 und die Folgeversionen (H.1.).
Der Flughafenvertrag ist für die Bevölkerung so wichtig, weil er neben den Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern (Stadtgemeinde Bremen/Senator für Häfen, Flughafen Bremen GmbH und Gemeinde Stuhr) ausdrücklich den Anwohnern, die Wohngrundstücke in der Kurve Leq62dB(A) der Lärmschutzzone von 1974 besitzen (§6 Flughafenvertrag), einen Rechtsanspruch garantiert und zwar gegenüber Bremen und der Flughafen Bremen GmbH auf Einhaltung der Beschränkung mit dem Ausschluss des übrigen Flugverkehrs.
Selbst wenn Bremen und Stuhr eine Einigung über die sogenannte Vollnutzung erwirkten, müssten alle klageberechtigten Anwohner diesem Vorhaben ebenfalls zustimmen. Diese Festsetzungen ergeben sich aus dem Flughafenvertrag und dem dazu erläuternden Schreiben des damals zuständigen Senators K. Kunick vom 27.11.1990 an RA Axel Adamietz.
Fazit: Die vom Flugverkehr betroffene Bevölkerung hat dem wirtschaftlichen Interesse des Senats Rechnung getragen und in einem begrenzten Umfang auf einen Teil ihrer Lebensqualität verzichtet. Für die Einhaltung dieses historischen Kompromisses steht der Bremer Senat in der Pflicht.
Trotz der Eindeutigkeit im Vertrag sind in der Vergangenheit bereits Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Einhaltungsbemühungen aufgekommen.
2. Zur Verlässlichkeit der Vertragspartner „Flughafen und Senat“
Seit einigen Jahren weiten sich Beschwerden über den Flugbetrieb aus. Aus einer von der VSF durchgeführten Analyse für 1999 ergab sich ein Anteil von ca. 2,5% der Beschwerden über niedrige Flughöhen und starken Lärm. Dieses war für die VSF ein Indiz dafür, dass in einigen Fällen gegen den Flughafenvertrag verstoßen wurde. Daran schloss sich die Frage an: Wie wird im täglichen Flugbetrieb sichergestellt, dass der Flughafenvertrag auch eingehalten wird? Schließlich sind die Sonderstartbahnflächen jederzeit benutzbar und vielleicht bezieht der Pilot das Vorhandensein von 300 m Sonderstartbahnfläche bei der Berechnung des maximalen Gewichts und der Startprozedur für sein Flugzeug mit ein? Es obliegt dem Piloten, sicherzustellen, dass seine Daten einen Start auf der Haupt-SLB mit 2034 m Länge erlauben. Eine Überprüfung durch den Tower erfolgt nach unserer Kenntnis nicht. Erst bei einem Startabbruch mit anschließendem Bremsvorgang würde möglicherweise erkennbar werden, ob die 300 m Sonderstartbahn mit einbezogen wurde.
Die VSF fordert daher, dass ein Prüfauftrag an die zuständigen Behörden ergeht, mit dem Ziel, wie die Einhaltung des Flughafenvertrages besser kontrolliert werden kann.
Welche Verstöße gegen den Stuhr-Bremen-Vertrag sind von uns dokumentiert?
Am 22.06.99 hat der ehemalige Hafensenator Beckmeyer sechs sogenannte Außenstarts für Testflüge genehmigt, die Genehmigung galt für ein Jahr. Die Erlaubnis verstieß gegen § 1(1) und (3) des Flughafenvertrages. Zum besseren Verständnis hat Senator Kunick im oben bereits angeführten Schreiben an RA Adamietz auf S. 5 erläutert: „Von der Betriebsbeschränkung auf Startverkehre im MBB-Werkflugverkehr …wird der Senator für Häfen… auch im Wege der Erteilung von Außenstart- und Außenlandeerlaubnissen nicht abweichen.“ Das bedeutet: Außenstarts auf der Sonderstartbahn sollten durch den Vertrag ausgeschlossen werden. Mit Schreiben vom 10.08.99 hat die VSF den Senator für Häfen um Auskunft gebeten, ob der angekündigte Testflug überhaupt mit der Startbahnlänge von 2034m zurecht käme. Die ausweichende Antwort: „Flüge dieser Art seien von der Luftaufsicht nicht zu reglementieren.“
Ein weiterer Testflug wurde von Familie Wähmann am 22.12.1999 mit Start auf ihrer Grunddienstbarkeitsfläche beobachtet und eine Anzeige erstattet. Wegen der Eilbedürftigkeit mit dem Ziel, weitere Starts zu unterlassen, wurde von Familie Wähmann ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt. Durch enorme Verzögerungen im Gerichtsverfahren kam es erst am 10.07.2000 zu einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes. Der vorangegangene Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 06.06.2000, der der Familie Wähmann in allen Punkten recht gab, wurde aufgehoben. Da nur noch ein Flug ausstand, beschloss das OVG Bremen, dass dieser hinnehmbar sei. Über die Dringlichkeit sei nicht mehr zu entscheiden. Die Streitwertfestlegung wurde flugs reduziert. Zahlen musste der Kläger.
Parallel dazu hat die Gemeinde Stuhr Beschwerde beim Bremer Senat zu diesem Fall eingelegt. Wobei der Senat nach einigem Zögern versicherte, dass derartige Verstöße gegen den Flughafenvertrag künftig unterbleiben würden.
Am 7. Mai 2000 konnte von der VSF ein weiterer Verstoß gegen das Vertragswerk aktenkundig gemacht werden. Ein Jumbo 747-400 von Cathey Pacific wurde bei der Landung bis zum Ende der Sonderstartbahn hinter die Schwelle 27 geführt, dort gewendet und auf der Haupt-SLB abgerollt. Da die Sonderstartbahnen ausschließlich für bestimmte Starts (Flügeltransporte im Werksverkehr) und nicht für Landungen, Abrollmanöver oder dgl. zugelassen sind, wurde gegen den Flughafenvertrag und die geltende Genehmigung des Flughafens verstoßen. Herr Wähmann musste somit erneut vor Gericht ziehen, um seinen Rechtsanspruch auf die Grunddienstbarkeit zu wahren.
In seiner Urteilsbegründung zum Urteil vom 20.12.2001 (missbräuchliche Nutzung der Sonderstartbahn) führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Stadtgemeinde bisher die Rechte der Flughafenbetroffenen wegen mangelnder Information und einer juristisch unhaltbaren begrenzenden Auslegung des Rechts missachtet habe. Auf Einspruch der Stadt wurde ein Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen. Es sei „den Fragen der Wirksamkeit und Bindung nachzugehen“. Was damit gemeint ist, erläutert der Antrag der Stadtgemeinde auf Zulassung der Berufung. Da heißt es auf Seite 13: „Auch in tatsächlicher Hinsicht kommt der Klärung der o.g. Rechtsfrage …eine grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Beklagte (Stadt Bremen) hat ein großes Interesse daran, Reichweite und Umfang der von ihr eingegangenen Verpflichtungen gerichtlich klären zu lassen. Zukünftige Fragen einer evtl. Flughafenentwicklung und damit Standortentwicklung werden von der Beantwortung der in diesem Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen abhängen.“
Inzwischen hat das OVG Bremen (AZ: 1A159/02) in der „Jumbo-Landung“ am 23.3.2004 einen Beschluss gefasst, der zur Verblüffung aller Beteiligter in diesem Fall eindeutig für den Kläger ausgefallen ist. Allerdings garantiert der Bremer Senat die Einhaltung des Vertrages nur für die „Wähmannsche“, die Ostseite der Start- und Landebahn. Für die Westseite beantwortet der Senat die Frage der Fraktion Bündnis 90/die Grünen in 2004 leider nicht.
Fazit: „Der historische Konsens von 1989 ist einseitig von Flughafen und Senat missachtet worden. Hintergrund sind Expansionswünsche des Flughafens und der Stadt. Das bedeutet für die Anwohner, die versprochene „Verlässlichkeit des Senats“ ist wertlos!
In diesem Fall ist die Gemeinde Stuhr der Auffassung, die obengenannte Landung eines Jumbos von Cathey Pacific würde sich nicht wiederholen, und hat deshalb nicht erneut den Senat gerügt. Die VSF dagegen sieht in der Summe aller aktenkundigen Rechtsbrüche einen roten Faden:
„Das Interesse des Bremer Senats, insbesondere des Hafensenators, auf die Einhaltung des Flughafenvertrages pflichtbewusst zu achten, ist schwach“, meint die VSF.
In 2000 hat der Flughafen Bremen über diese juristische Schiene hinaus ebenfalls ein Gutachten an Prof. Mensen in Auftrag gegeben, dass untersuchen soll, ob bei Vollnutzung der Start- und Landebahn also bei Mitbenutzung der Sonderstartbahnen weniger Lärm für die Anwohner entsteht. Dabei wird bewusst in Kauf genommen, dass die unmittelbar am Flughafen wohnenden Bürger/-innen wohl wegziehen müssen (siehe „Bremen-Jet“ 1/2001). Inzwischen ist nichts mehr über dieses Gutachten zu erfahren. Das heißt, die „Quadratur des Kreises“ ist diesem Gutachter offenkundig nicht gelungen.
Weiteres Fazit: Es bleibt der fade Beigeschmack, dass vermeintlich seriöse Vertragspartner wie der Flughafen und Senat, bereits 10 Jahre nach Vertragsschluss die Kompromissbereitschaft der Anwohner geringschätzen und bereit sind, einen Vertrag, der dauerhaft die Verlässlichkeit des Senats belegen sollte, zu negieren. Ein partnerschaftliches Umgehen miteinander ist daraus nicht erkennbar. Damit geht ein enormer Vertrauensschwund bei der betroffenen Bevölkerung einher.
3. Wie kann die Zukunft aussehen?
Zielvorstellungen des Flughafens, die Fluggastzahlen auf 3,25 MIO. bis 2015 zu steigern, erscheint uns äußerst fragwürdig, wenn man die Entwicklung der Gesamtpassagierzahlen seit 2000 (1.918 Tsd.) betrachtet. (zum Vergleich 2001: ./. 5,2 %, 2002: ./. 7 %, 2003: ./. 3,2 % jeweils bezogen auf das Vorjahr!)
Die innerstädtische Lage des Flughafens, seine kurze Landebahn und sein dünnbesiedeltes Einzugsgebiet – im Vergleich zu den direkten Konkurrenten Hamburg, Hannover und Münster- sprechen dagegen. Mit Inkrafttreten des novellierten Fluglärmschutzgesetzes war ursprünglich im Ausbaufall auch eine enorme Entschädigungssumme zu zahlen und eine erhebliche Abwanderung von potenten Steuerzahlern in Bremen, die keine bunkerähnliche Wohnsituation ertragen wollen, die Folge.Die Luftverkehrslobby hat dafür gesorgt, dass heute in der Umsetzung allenfalls Lüftermotoren in Schlafzimmern erstattet werden. Statt ursprünglich 23 Mio € muss der Flughafen heute max. 10 Mio € zahlen.
Eine dauerhafte und vertrauensbildende Lösung könnte für die Flughafen betroffenen Anwohner darin bestehen, dass
1. der Stuhr-Bremen-Vertrag endgültig garantiert wird und eine Transparenz über die Einhaltung gewährleistet ist,
2. die tatsächliche Belastung (Lärm, Schadstoffe, Flugbewegungen) offengelegt wird,
3. Lärmminderungspotentiale genutzt werden und Nachtflüge, wie zugesichert, kontingentiert werden, (6 Flüge zwischen
4. 22:00 und 6:00 Uhr, davon 5 Flüge zwischen 22:00 bis 23:00 Uhr, 1 verspäteter Flug)